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Die Besteigung des Mount Fuji

(von Horst Frischer)

Erinnerungen an den Aufstieg zum Fuji: Vulkansteine und ein Wimpel

Während meiner Seefahrtzeit gab es viele Erlebnisse, doch das interessanteste war die Besteigung des heiligen Berges Fuji (auch „Fuji-San“ genannt) auf der japanischen Hauptinsel Honshu. Bei klarem Wetter ist der 3776 Meter hohe Fuji von der Hafenstadt Yokohama und sogar manchmal auch von Tokio sichtbar.

Doch zum Anfang der Geschichte: Es war Sonntag, der 20. Juni des Jahres 1971, wir lagen mit dem Schiff auf Reede vor dem Hafen Yokohama. Wir warteten darauf, die nächsten Tage an die Pier zu kommen, um Ladung für unsere Reise nach Australien aufzunehmen. Zu dritt saßen wir - der 2. Ingenieur, der 2. Offizier und ich - in der Messe und tranken gegen 15:00 Uhr unseren Kaffee. Das Wetter war gut, deshalb sagte ich halb scherzhaft in die Runde: “Eigentlich könnten wir doch mal auf den Mount Fuji klettern“. Etwas verdutzt wurde ich angeschaut, aber nach einem kurzen Moment reifte ein Plan.

Wir hatten weder eine Ausrüstung noch wussten wir, wie wir überhaupt zum Fuji kommen. Einzig und allein war bekannt, dass man den Berg nachts besteigen sollte, um den Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu erleben. Die Zeit drängte, denn um 15:45 Uhr kam die Barkasse, die nur viermal am Tag fuhr, um uns an Land zubringen. Bekanntlich ist auf Reede für die Besatzung weniger zu tun und so meldeten wir uns Hals über Kopf vom Schiff ab. Dieses Verhalten ist richtig typisch für „Hein Seemann“, erst mal an Land fahren und dann weitersehen. In der City von Yokohama versuchten wir herauszubekommen, wie wir in die Nähe des Fuji kommen. Hierzu benötigten wir erst mal eine japanische Landkarte und einen kleinen Rucksack. Irgendein Japaner erklärte uns, dass wir mit dem Shinkansen (zu damaliger Zeit einer der schnellsten Züge der Welt) nach Shizuoka fahren müssten. Shizuoka wäre die Bahnstation in der Nähe des Fuji. An der Bahnstation Yokohama fragten wir uns nochmal durch und zeigten auf den Fuji auf unserer erworbenen Landkarte. Mit viel „trarar und ming ming“ bekamen wir eine Fahrkarte für den Shinkansen, der in einem Viertelstunden-Takt von Tokio über Yokohama nach Osaka fuhr.

So fuhren wir mit über 220Km/h (für damalige Zeit ein echtes Erlebnis) Richtung Shizuoka. Im Zug wollten uns die Japaner zwar gern helfen, wie man zum Fuji kommt, aber keiner konnte englisch (wir kein japanisch) geschweige denn, er hatte richtig Ahnung. So verging die Zeit, bis wir so nach ca. 2 Stunden Fahrzeit etwas unruhig wurden, denn eigentlich hätten wir schon da sein müssen. Es stellte sich dann heraus, dass wir in dem Zug sitzen der an der Bahnstation zum Fuji gar nicht hält und wir schon über fast 100 km über die Station hinaus waren. Also nächste Station aussteigen und mit dem richtigen Zug wieder zurück. Weil unser Bahnticket nun nicht galt, hieß es dünne machen, denn wir wollten für diese Strecke ja nicht mehr zahlen. Glücklicherweise kam keine Kontrolle, und wir erreichten gegen 21:30Uhr dann die richtige Station Yoshiwara.

Fast menschenleer, standen wir hilflos an der Station und hatten keine Ahnung, wie es nun weiter gehen soll. Im Zug hatten wir noch erfahren, dass angeblich von hier ein Bus zu einer Bergstation namens „Gogo-me“ in 2300 Meter fahren soll, aber weit und breit war kein Bus zu sehen. Glücklicherweise standen an der Bahnstation noch einige Taxis. Mit viel Gefeilsche um den Preis einigten wir uns dann mit dem Fahrer, uns für umgerechnet ca. 60,00 DM zur Station „Gogo-me“ zu bringen. Nach einer längeren Fahrt über zum Teil holprige und steinige Pisten erreichten wir gegen 22:30 Uhr die menschenleere Station „Gogo-me“, den höchsten befahrbaren Punkt am Fuji.

Von nun an hieß es nur noch bergauf, denn an ein zurück war ab jetzt nicht mehr zu denken. Der Fahrer war weg und die Dämmerung war schon voll eingetreten. Wir konnten nur noch sehen, wo es bergauf Richtung Gipfel ging. Glücklicherweise ist der Fuji ein Vulkan, der das letzte Mal am 16.Dezember 1707 ausgebrochen war, und keine steilen Stellen hat, an denen man sich mit Seilen absichern muss. Zuerst konnten wir noch schmale ausgetretene Trampelpfade erkennen (Lampen hatten wir natürlich in der Eile an Bord vergessen), später ging es einfach nach Gefühl aufwärts. Irgendwann nach ca. 1,5 Stunden erblicken wir bergauf ein schwaches künstliches Licht und wo Licht ist, müssen bekanntlich Menschen sein. Fortan war das Licht unser Ziel. Das Licht entpuppte sich allmählich zu einer kleinen Berghütte. Dort angekommen, öffneten wir die Tür und sahen einige Japaner in Schlafsäcken auf dem Fußboden schlafen. Sofort kamen die beiden Herbergsinhaber (Mama-San und Papa-San) uns entgegen und luden uns zu einem Becher grünen Tee ein. Obgleich ich grünen Tee nicht mag, war ich sehr dankbar, denn draußen am Berg war es doch merklich kühl und unsere Kleidung auch nicht entsprechend zum Bergsteigen geeignet. Mit Händen und Füssen konnten wir den beiden klarmachen, dass wir von einem deutschen Schiff aus Yokohama kamen. Da Japaner allgemein sehr deutschfreundlich sind, stiegen wir bei den beiden nochmals mächtig in der Achtung.

Nach ca. 45 Minuten verabschiedeten wir uns von Mama-San und Papa-San, denn wir wollten ja rechtzeitig zum Sonnenaufgang auf dem Gipfel sein. Unterwegs kamen wir noch an einem ca. 2000 qm großes Schneefeld vorbei, und eine kleine Schneeballschlacht war angesagt. Langsam kamen wir immer höher und schemenhaft konnten wir den Kraterrand in der schwachen Dämmerung schon erahnen. So erreichten wir kurz nach 4 Uhr morgens, kurz bevor die Sonne aufging, leicht erschöpft den Kraterrand. Der Sonnenaufgang etwas später ließ uns aber unsere nächtliche Strapazen vergessen, und wir genossen diesen fantastischen Anblick. Mittlerweile kamen nun aus mehreren Richtungen weitere Bergsteiger bzw. Japaner zum Gipfel, um dieses Schauspiel mit uns zu genießen.

Am Kraterrand gab es mehrere kleinere Imbiss- und Souvenirstände, die geöffnet hatten. Irgendeine Kleinigkeit haben wir dort zu uns genommen. Im Anschluss gab es dann eine wohlverdiente längere Ruhepause. Danach kam die obligatorische halbe Kraterumrundung mit Blick in den Krater. Als Andenken und Beweis, dass ich dort oben war, sammelte ich zwei farblich verschiedene Vulkansteine und nahm diese mit. Zusätzlich konnte ich noch einen Wimpel mit dem Fuji in einem der Souvenirständen erwerben. Langsam mussten wir an unsere Rückreise denken und verabschiedeten uns vom Gipfel und begannen mit dem Abstieg. Wir wählten eine andere Abstiegsroute und kamen irgendwie wieder zu unserer Bahnstation. Mit dem Zug ging es zurück nach Yokohama, und wir erreichten rechtzeitig unsere Barkasse zum Schiff. Auf dem Schiff wurden wir mit viel „Hallo“ empfangen, und jeder wollte wissen, was wir erlebt hatten. Völlig erschöpft fiel ich nach dem Abendbrot gegen 18:30 Uhr in die Koje und schlief 13 Stunden durch. Noch heute erinnere ich mich gern an dieses Erlebnis und schaue manchmal meine 3 Trophäen vom Gipfel an, die bei mir zuhause stehen.